Samstag, 13. Oktober 2018

Großvater Hermann - der "Fall Matzat"


"Die Verhaftung des deutschen Pflanzers Matzat durch einen samoanischen Polizisten hatte sogar zur Folge, dass die Kolonialverwaltung Erkundigungen in allen deutschen Kolonien über die Befugnisse "farbiger" Polizisten gegenüber Weißen einholte" ( Zitat einer Fußnote aus "Askari und Fitafita: "farbige" Söldner in den deutschen Kolonien" von Thomas Morlang)



Ich zitiere den "Fall Matzat", den der Abgeordnete der Sozialdemokraten Stadthagen dem Reichstag in der 74. Sitzung. Sonnabend den 23. April 1904 vortrug.
Das Zitat ist den Reichstagsprotokollen entnommen.
(https://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt_k11_bsb00002809_00593.html und folgende):


Der, wie es scheint, am schwersten mitgenommene Pflanzer ist ein deutscher Bauer, ein Ostpreuße, der vor seiner Ankunft in Samoa gewarnt wurde, dorthin zu gehen, weil dort nicht Freiheit herrsche, sondern lediglich Bureaukratie und Kapitalismus in Flor seien. Er hat es dennoch getan, ist nach Samoa gegangen und hat dort in stiller, beschwerlicher Arbeit als Pionier für die Kultur gewirkt. Er hat einen Acker 150 im wilden Urwald auf einer Höhe von etwa 2000 Fuß mit Mühe und Erfolg bearbeitet. Er ist kein Kapitalist. Ein kleines Erbteil von einigen Tausend Mark hat ihm den Weg, Eigentümer zu werden, ermöglicht. Mit rastlosem Fleiß hat er aus dem angekauften wilden Land eine Plantage herzustellen vermocht, die Kakao, Kaffee, Taro, Bananen, Cava, Gras usw. trägt. Durch seine Sachkenntnis, große Umsicht und fleißige Arbeit hat er — zeitweise unter Zuhilfenahme weniger Arbeiter — aus eigener Kraft ein neues Gebiet der Kultur erschlossen und anderen Kolonisten die Wege geebnet. Er ist ein ruhiger, stiller Mann. Selbst in den Urteilen, die gegen ihn ergangen und gegen ihn eingenommen sind, wird ihm das Zeugnis eines ruhigen, verständigen Mannes gegeben.

Nun, meine Herren, hören Sie, wie es dort den Deutschen geht, die unter dem Schutze des Deutschen Reichs stehen sollen, und wozu die Gelder verwendet werden, die hier in erhöhtem Maße in Tit. 1 wie in Tit. 5 abermals insbesondere für Erhöhung der Beamten und Polizeigehälter dort verlangt werden! Der oben geschilderte Pflanzer namens Matzat war am 22. November 1902 in Apia, um sich dort persönlich nach dem Schicksal einer Eingabe zu erkundigen, die die Verbesserung eines Weges verlangte, der seit 1 1/2 Jahren fast unpassierbar geworden war. Er traf in Apia einen Landsmann, namens Hage, einen älteren Herrn, der noch nicht zu lange in Samoa ist. Als beide zwischen 11 und 12 Uhr Abends nach Hause gehen wollten, und Hage eine Verrichtung, zu der er an sich durchaus berechtigt war, ausübte, trat ein Samoaner an ihn heran, ein gewisser Napoli, der farbiger Polizist ist, und sprach ihn an. Der Samoaner versteht kein Deutsch und der Kolonist kein Samoanisch. Die Pflanzer zogen ihres Weges. Der Polizist verfolgte sie und redete weiter auf sie ein. Diese sagten ihm, er möge sie in Ruhe lassen. Napoli ging aber weiter hinter den Leuten her und querulierte sie weiter, die durchaus nichts getan hatten. Daraufhin hat dann Matzat diesen Samoaner, der ihn belästigte, einen Stoß gegeben, um ihn los zu werden, was so ziemlich jeder im ähnlichen Fall tun würde. Wie soll man auch sonst jemanden los werden, der in dieser Art einen behelligt? Matzat wurde wegen dieses Stoßes nunmehr wegen Mißhandlung eines Polizisten angeklagt. In dem Urteil wird festgestellt, daß dieser Polizist, Napoli, allerdings als solcher in der Dunkelheit nicht erkannt war, er habe zwar den Stern getragen — ich glaube, es ist ein gelber Stern —, der ihn als Polizist kenntlich macht; aber man könne wohl annehmen, daß Matzat dies Abzeichen samoanischer Polizisten nicht gesehen hat, also nicht glaubte, einen Polizisten vor sich zu haben. Dieser Polizist Napoli wird so charakterisiert: „der Napoli spricht ein wenig Englisch, er kennt vom Deutschen aus seiner früheren Dienstzeit bei den Fita-Fitas nur einige Kommandos, ferner kennt er — ob auch aus der Dienstzeit, sagt das Urteil nicht — einige deutsche Schimpfwörter wie „Schwein", „Niggerkanaker" und Wörter von ähnlicher Bedeutung". Mit dieser Kenntnis der deutschen Sprache ausgerüstet, hat der Polizist beim Vorbeigehen bei Hage und Matzat angenommen, daß diese Leute, da er weiter vom Deutschen nichts versteht als Schimpfwörter, ihn schimpften. Deshalb verfolgte er die beiden Kolonisten, bis Matzat auf die geschilderte Art der Belästigung ein Ende machte. Matzat ist dann angeklagt worden, durch den Stoß den Napoli körperlich mißhandelt zu haben. Es wurde hierbei angenommen, daß er nicht gewußt habe, daß der Geschlagene ein Beamter ist. Er wurde zu 20 Mark Geldstrafe in der ersten und zweiten Instanz verurteilt. Aus der Verhandlung ergibt sich, daß der Polizist nicht den geringsten Grund hatte, die Leute zu arretieren oder zu belästigen. Man ist billig erstaunt, weshalb, wenn prozessiert werden sollte, gegen Matzat und nicht gegen den Polizisten prozessiert ist. Es kommen Pflanzer nach Apia, und die Folge ist, daß sie von einem schwarzen Menschen, der mit deutschem Gelde als Polizeibeamter bezahlt wird, über dessen Qualifikation ich soeben aus dem Urteil Ihnen vorgelesen habe, haranguiert werden, und deshalb und weil dieser Mann so wenig intelligent ist, müssen sie es sich gefallen lassen, nachher zu 20 Mark Geldstrafe verurteilt zu werden, weil sie einem fremden Menschen, der sie verfolgt, behelligt und belästigt, abwehren? Verurteilt und angeklagt ist in diesem Falle Matzat, soviel mir bekannt, nicht auch der andere deutsche Pflanzer. Was soll.diese Art Inschutznahme? Es ist doch, meine ich, weit über das hinausgegangen, was man den Eingeborenen gegenüber darf und muß angedeihen lassen. Mit den tatsächlich arbeitenden Personen kommen die Pflanzer nicht in irgendwie böse Berührung. In böse Berührung kommen sie nur mit den Polizeibeamten und Polizeisoldaten, mit denen, die da glauben, ihre Bildung dadurch bekunden zu müssen, daß sie ihre Polizeimacht gebrauchen und vielleicht auch mißbrauchen. Meine Herren, dieser selbe Matzat kam einen halben Monat später, am 12. Dezember, wieder einmal nach Apia. Da ist es ihm noch schlimmer ergangen. Es geht da, wie es scheint, in den Verhältnissen, über die wir hier zu klagen haben, genau so zu wie in Deutschland. Nach der Richtung scheint es Herrn vr. Solf gelungen zu sein, die Kultur, die wir hier als polizeiliche, als Unkultur zu bedauern haben, außerordentlich in Samoa verbreitet zu haben. Es ist — Sie werden es nachher sehen — die Behandlung, wie sie der Bauer auf der Polizei erfährt, genau dieselbe dort, wie wenn bei uns ein kleiner Bauer das Unglück hat, mit einem Gendarm oder mit mehreren Gendarmen oder sonst mit der Polizei nicht auf freundlichem Fuße zu stehen, und man ihn dem Polizeigefängnis überantworten läßt. Am 12. Dezember war mit diesem Bauer Matzat der Deutsche Hage wieder in Apia zusammen. Nachmittags wollte Matzat fortreiten. Matzat rief sein Pferd an, wie man zu tun pflegt, wenn man an ein Pferd von hinten herantritt. Er brauchte ein paar englische Brocken dabei. Da kam ein Polizeibeamter, Fialii mit Namen, ein Mann, dem schon vorher, wie es im Urteil heißt, „wegen Mangel an der nötigen Intelligenz" der Dienst gekündigt war. Es ist diesem Fialii, dem Polizeimann, in dem Urteil bestätigt, daß ihm schon zum 1. Januar gekündigt war, weil er es an der nötigen Intelligenz fehlen ließ. Ich würde wünschen, daß Mangel an Intelligenz auch in Deutschland als Entlassungsgrund für Polizisten eingeführt würde. Als Matzat sein Pferd anrief, meinte dieser unintelligente schwarze Polizeibeamte, der Ruf, der sich auf das Pferd bezog, beziehe sich auf ihn. Fialii fing einen Wortstreit deshalb an. Matzat erklärt ihm, er möge ihn in Ruhe lassen, er sei gar nicht gemeint. Der aber wollte durchaus gemeint sein. Es kam dann der alte graubärtige Hage und versuchte dem Polizeibeamten klarzumachen, er solle seines Weges gehen. Da stieß dieser Fialii dem Hage ganz gehörig in die Rippen. Als nun naturgemäß Matzat die Partei des beleidigten, mißhandelten Deutschen nahm, schlug der schwarze Polizeibeamte Fialii mit seinem Knüppel auf Matzat los. Wie in der Verhandlung bekundet wurde, hat der Polizeioberst Fries ausdrücklich seinen Polizeibeamten gesagt, sie sollten den Knüppel gebrauchen, wozu sie ihn bekommen hätten. Der Knüppel ist IV- Zoll im Durchmesser dick und 1 1/2 Fuß lang, aus hartem, schweren Holze. Matzat ließ sich das nun nicht gefallen und entriß dem Fialii den Knüppel in der Notwehr und wendete ihn dem Polizeibeamten gegenüber an. Fialii erhielt dann den Knüppel von Matzat zurück, schlug auf Matzat los und „rannte dann weg", wie es im Urteil heißt. Daraufhin werden beide angeklagt: Matzat, der sich erlaubt hat, jemandem, der auf ihn eindringt, den Knüppel zu entreißen und die Unvorsichtigkeit begangen hatte, diesem Polizeimann den Knüppel wiederzugeben, wird in der ersten Instanz zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt; in der zweiten Instanz wurde er freilich freigesprochen, weil das Gericht Notwehr annahm. Nun geht die Sache aber noch böse weiter. Als der Fialii nämlich aus dem von ihm provozierten Kampf die Überlegenheit der körperlichen Kraft und der geistigen Intelligenz auf deutscher Seite erkannt hatte, eilte er zu M) dem Polizeibureau, beschwerte sich dort, und der Polizeichefmeinte, man sollte die beiden verhaften! Matzat und Hage sind nun beide in Samoa bekannt, es fehlte jeder Grund zu einer Verhaftung, wie ausdrücklich in dem Urteil festgestellt wird; aber, meint der Richter, wenn auch eine gerichtliche Verhaftung nicht stattfinden konnte, so sei doch der Polizeibeamte gewissermaßen Vertreter des Gouverneurs und der Gouverneur der Stellvertreter des Kaisers, und deshalb sei es gerechtfertigt, Leute, gegen die nach dem Gesetz nicht der geringste Grund zur Verhaftung vorliegt, zunächst in das Gefängnis zu bringen. Den betreffenden erstaunlichen Passus werde ich mir noch gestatten wörtlich zu verlesen. Dieser Fialii kam also nach dem Polizeibureau, trug dem Polizeiobersten die Sache vor, und vier Polizeibeamte machten sich auf den Weg, um den rechtswidrigen Einlieferungsbefehl auszuführen. In der Zwischenzeit waren Hage und Matzat auch nach der Polizei gegangen, um dort Beschwerde zu führen über das Benehmen des Fialii bei dem Polizetchef Fries. Auf dem Wege trafen sie bereits Herrn Fries. Sie wollten ihm die Sache vortragen; er ließ sich aber von ihnen nicht sprechen, sondern ließ sie durch die vier farbigen Beamten nach dem Gefängnis führen. „Auf dem Wege bis zum Tor des Gefängnisses", heißt es im Urteil, „ist kein Widerstand geleistet", und das, zumal der Transport insofern brutal war, als die Polizeileute die Bauern körperlich, am Arm und Rockkragen, angefaßt hatten. Der Polizeichef sah diesen Transport und hinderte sie nicht. Er folgte vielmehr dem Transport und „wies die nachfolgenden Leute am Gefängnistor zurück". Naturgemäß wünschten die also zu Unrecht ihrer Freiheit beraubten Deutschen den Polizeichef Fries zu sprechen und sich bei ihm zu beschweren. Es scheint, als ob die Beamten für die Beschwerden solcher, die von Polizeibeamten mißhandelt sind, dort nicht zu haben sind — genau wie hier in Berlin, wo der Polizeipräsident bekundet hat: wenn sich jemand auf dem Polizeirevier, wo er mißhandelt ist, gar noch beschwert, muß er verrückt sein, und man dürfe ihn nach Dalldorf oder Herzfelde schaffen.

(Lachen rechts.)

Da sagt Herr Stuebel, Dr. Solf sei nicht bureaukratisch. Wenn etwas bureaukratisch und überdies strafbar ist, ist es, zwei bekannte Deutsche, auch wenn sie etwas Strafbares getan hätten, mir nichts dir nichts arretieren zu lassen, weil der betreffende die Gewalt hat. Es ist ausdrücklich festgestellt, daß die Handlung von Matzat und Hage gegenüber diesem Burschen mindestens bis zu diesem Transport ins Gefängnis straflos gewesen ist; sie hatten sich in Notwehr befunden. Nun kommt das Beste. In den Gefängnisräumen, behaupten die schwarzen Polizeibeamten, habe der Matzat Widerstand geleistet. Von Hage ist es nicht behauptet, wohl aber ist festgestellt, daß auf beide losgeschlagen ist. Hage ist von dem Beamten Falasii, Matzat von Fialii nachweisbar geschlagen worden. Auch Hage wurde angeklagt; natürlich mußte er freigesprochen werden; die beiden Polizeibeamten sind zu geringen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Hage ist geschlagen worden, ohne die geringste strafbare Handlung begangen oder auch nur nach Annahme des Richters Widerstand geleistet zu haben. Matzat wurde noch viel böser mit dem Polizeiknüppel geschlagen. Von ihm ist im Urteil angenommen, er habe Widerstand geleistet durch die Gewalt seines Körpers — „durch körperliche Gewalt", sagt das Urteil —. Festgestellt ist durch Zeugen, daß er den Polizeiobersten Fries zu sprechen verlangte. Er wurde statt dessen verhauen, in Eisen geschlossen und außerordentlich schwer mißhandelt, wie das Attest des Arztes ergibt. Das Schließen geschah sogar auf Befehl des Fries. Wir haben ja gehört, daß dort Mangel an Ärzten ist; aber die beiden Arzte dort, die Beamte sind, werden wohl in ihrem Attest die Wahrheit ausgesagt haben. Mir ist außerdem die Photographie des Mißhandelten übersendet worden, die ich auf den Tisch des Hauses niederlegen werde, damit Sie sehen, wie ein Deutscher aussieht, wenn er — nicht nur in Berlin, im preußischen Lande, sondern in Samoa das Polizeigefängnis verläßt. So sieht ein Mann aus, der nach der Schilderung des Urteils ein starker Mann ist, dem das Kolonialamt Schutz angedeihen lassen sollte, und der von Polizisten, für deren Anstellung Sie das Geld hergeben, so übel zugerichtet wird. Dr. Schwesinger, Stabsarzt a. D-, schreibt:

Herr Pflanzer Matzat ersucht um Feststellung der an seinem Körper vorhandenen Verletzungen, die gestern, den 12. Dezember, Nachmittags nach 3 Uhr, ihm durch samoanische Polizisten mit ihren Knüppeln beigebracht worden sind. Auf der linken Seite des behaarten Hinterkopfes, etwa handbreit von dem linken Ohr entfernt, besteht eine etwa zehnpfennigstückgroße rosa blutunterlaufene Stelle, die bei leichtem Drucke bereits schmerzt. Dreifingerbreit oberhalb der rechten Schläfe ist eine mit dunkeln, blutigen Krusten geschlossene kleinere Wunde inmitten einer schmerzhaften Beule. Die Gegend hinter dem linken Ohre und am Halse ist teigig angeschwollen und sehr schmerzhaft, das Ohr selbst und die Hintere Umgebung desselben ist blaurot unterlaufen, unterhalb des Ohres ist ferner eine kleine Kratzwunde erkennbar. Im linken äußeren Augenwinkel besteht ein größerer, frischer Blutaustritt unter der Bindehaut, die beiden Augenlider daselbst sowie das untere rechte Augenlid sind stark angeschwollen, blaurot unterlaufen und am letzteren auch zwei strichförmige kleine Wunden, scheinbar durch Aufspringen entstanden. Die Unterlippe ist in der linken Hälfte stark geschwollen — durch einen Knüppelschlag — und etwa 2Vr Zentimeter vom Mundwinkel entfernt durchtrennt, sodaß die dabei entstandene Wunde 2—3 Millimeter breit klafft, sie ist mit einem weißlichen Belag bedeckt und ihre Umgebung ebenfalls blutunterlaufen; diese letztere Wunde hat jedenfalls längere Zeit stark geblutet. Es geht aus der Art der Verletzungen deutlich hervor, daß dieselben mit stumpfen, nicht kantigen und nicht besonders schweren Gegenständen und nicht mit der Hand oder Faust gesetzt find, sodaß die Angaben des Verletzten betreffend der Knüppel von Polizisten auf Wahrheit beruhen können. Auch die von ihm gemachte Zeitangabe entspricht dem Aussehen der Verletzungen. Eine dauernde Schädigung ist durch die Verletzungen nicht veranlaßt worden; die Wunde an der Lippe unten kann allerdings zu einer narbigen Einziehung daselbst führen, eine Entstellung wird aber nicht dadurch verursacht werden. Die Spannung und Schmerzhaftigkeit der Verletzungen bedingen eine mehrtägige Arbeitsunfähigkeit.



Matzat hat sich gleich darauf -- am folgenden Tage ist er entlassen — photographieren lassen. Sie sehen das ganze Zeug von Blutflecken überlaufen, sie sehen die Wunden, die ihm zugefügt sind. Er sieht so aus, als ob er von Kannibalen zugerichtet ist, aber nicht mit Polizeibeamten, die mit dem Gelde deutscher Steuerzahler zum Schutze deutscher Steuerzahler besoldet werden, zu tun gehabt hätte. M) Nun wurde der Mann unter Anklage gestellt, weil er Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet habe, daß er sich im Gerichtsgefängnis nicht gefallen ließ, in eine Zelle gesperrt zu werden, sondern passiven Widerstand geleistet haben sollte. Es wurde angenommen, das sei Widerstand gegen die Staatsgewalt. Er wurde in erster Instanz zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, ich glaube von 14 Tagen oder 4 Wochen. In zweiter Instanz wurde er zwar auch verurteilt; aber die Freiheitsstrafe wurde umgeändert, und es sind ihm durchaus zu Unrecht 100 Mark zudiktiert worden. Nun, meine Herren, mag das Verhalten der einzelnen Deutschen dort sein, wie es will, — provozierend war das Benehmen dieser beiden Bauern, von denen ich gesprochen habe, nach keiner Richtung. Der eine war, was ihm die dortigen Gerichte selbst haben attestieren müssen, absolut schuldlos, der andere auch schuldlos, oder, wenn er etwas getan hat, hat er nichts weiter getan als sich gegen die Anmaßung gewehrt, daß die deutsche Freiheit, die Freiheit des Menschen nicht garantiert sei, sobald es sich um polizeiliche Angriffe handelt. Unter allen Umständen zeigt das Verhalten der Polizei dort, daß es höchst ungerechtfertigt wäre, jetzt noch die Sicherheitskräfte zu vermehren.



Meine Herren, es lag nicht der geringste Grund vor, den Mann ins Gefängnis zu schleppen. Auf dem Wege zum Gefängnis und bis Einlieferung dort hat er nach dem Urteil durchaus nichts Strafbares begangen, sondern er hat nur die rechtswidrigen Angriffe abgewehrt, deren sich minderintelligente Polizeibeamte ihm gegenüber in brutaler Weise schuldig gemacht haben. Weswegen die Hineinschubserei ins Gefängnis gerechtfertigt gewesen sei, das sagt das erste Urteil in folgender Weise:

Demnach befanden sich Fries — also der Anordner der Verhaftung —

in der rechtmäßigen Ausführung ihres Amtes, wobei bez. Hage, der sich keiner nachweisbaren strafbaren Teilnahme an dem Wortwechsel zwischen Matzat und Ftalii schuldig gemacht hat, mit zum Beginn der Tätlichkeiten beigetragen hat. Die Befugnis des Polizeivorstehers Fries zur vorläufigen Festnahme folgt aus seinem Amte, das ihm vom Gouverneur, dem obersten Verwaltungsbeamten des Schutzgebiets, übertragen worden ist, und ist ein Teil der Schutzgebietsgewalt, die in höchster Instanz dem Kaiser zusteht und von diesem mit gewissen Beschränkungen auf den Reichskanzler und Gouverneur delegiert worden ist.



Ja, nach welchen Bestimmungen, nach welchen Gesetzen eigentlich? Das Urteil fährt fort:

Eine Verhaftung, die nur durch den Richter ausgesprochen werden kann, ist nicht erfolgt.



Meine Herren, schon der feine Unterschied: keine Verhaftung, sondern Festnahme — eine Festnahme, die nach deutschem Gesetz rechtswidrig ist, da die Leute durchaus bekannt waren und, wie durch Urteil festgestellt ist, nicht das geringste Strafbare auf der Straße getan hatten! Es wird eine nicht begangene strafbare Handlung konstruiert, und es erfolgt die rechtswidrige, nach der ungeheuerlichen Annahme des Richters rechtmäßige Festnahme. Man wehrt sich gegen diese Rechtswidrigkeit, weil man annimmt, daß das deutsche Recht auch dort gelte — es ist ja dort auch eingeführt —; dafür wird man bestraft. Der ganze Widerstand hat darin bestanden, daß einer sich vieren gegenüber hat wehren müssen. Gewiß soll man Eingeborenen gegenüber nicht provozierend sein, und gewiß würde es angebracht sein, auch Deutschen gegenüber, die sich dort so oder nur ähnlich provozierend benehmen wie der Prinz v. Arenberg in Südwestafrika, mit den allerschärfsten Strafen vorzugehen. Solchen Leuten gegenüber, die roh sind, die nicht zu arbeiten verstehen, sondern die Arbeitskraft anderer ausbeuten wollen und sie außerdem noch brutal verhöhnen, wäre scharfes Vorgehen am Platz. Um solche Leute handelt es sich hier nicht, sondern es handelt sich, wie auch im Urteil festgestellt wird, um Leute, die bis zu diesem Renkontre als ruhige, arbeitsame Menschen allgemein galten. Die Pflanzer haben Briefe an mich geschrieben, worin sie mitteilen, daß sie sich mit den Eingeborenen durchaus gut stehen, aber eingeborene , Polizeibeamte, das sei etwas ganz anderes. Es ist genau so bei uns: der Kleinbauer steht mit den übrigen Leuten auf dem Lande durchweg in gutem Verhältnis; anders ist das Verhältnis der Kleinbauern — ich spreche nicht von Großgrundbesitzern —

(Heiterkeit)

gegenüber den Inhabern der Polizeigewalt. Und wenn wir hier in Deutschland, in Preußen zu klagen haben über die Überfälle durch solche Polizeigewalt

(Unruhe rechts)

ich danke Ihnen für die Zustimmung, die Sie mir durch die Bewegung Ihrer Lippen eben ausdrücken —

(Heiterkeit),

wenn wir hier darüber zu klagen haben, daß wir gegen die Polizei nicht besonders geschützt sind, sondern daß ein Schutzverein gegen Schutzleute durchaus angebracht wäre, so sind erst recht solche Schutzvereine im Schutzgebiet gegenüber solchen bureaukratischen Ausschreitungen nichtfarbiger und farbiger Polizeibeamten durchaus gerechtfertigt. Genau dasselbe, was auch hier Deutschen gegenüber geschieht, ist ja zum großen Teil in den Kolonialgebieten die Ursache von Aufständen, Unruhen u. dgl. Man kann sich eben nicht gefallen lassen, von Beamten schlimmer behandelt zu werden als ein Stück Vieh. Wenn Vieh gegenüber so vorgegangen wäre wie hier diesen beiden Deutschen gegenüber seitens der Inhaber der Polizeigewalt, dann würde man sich entrüstet haben über die Roheit, die dort seitens einiger farbiger Polizeibeamter und des dortigen Polizeigewaltigen, „Polizeipräsidenten" — das mag er sein; ich weiß nicht, wie der Titel dort ist — angewendet ist. Wenn es sich aber, wie im vorliegenden Falle, gar noch um Menschen, um Deutsche, handelt und als Resultat dabei herauskommen sollte, daß die Deutschen, anstatt geschützt zu werden, — wenigstens der eine — noch bestraft werden, so, meine ich, sollten Sie sich drei- und vierfach überlegen, bevor Sie wieder vermehrtes Geld für diese Titel bewilligen. Meine Herren, die Arbeit, die deutsche Arbeit, die Arbeit im allgemeinen soll geschützt werden, soweit sie in den Kolonien tätig ist. Die Tätigkeit aber, die in Samoa ausgeübt wird, auch wenn es sich um Gesellschaften handelt, denen der einzelne Abgeordnete freundlich gegenübersteht — das möchte ich Herrn Eickhoff gegenüber bemerken —, ist auch dann nicht im Interesse Deutschlands, wenn die Unterstützung sich bezieht auf die Unterstützung des Kapitals und der bureaukratischen Gewalt. Ich meine, wir haben keine Veranlassung, derartiges rechtswidriges Benehmen Deutschen gegenüber durch deutsches Geld zu unterstützen.



Interessant ist mir gewesen, daß von den 39 Pflanzern, den einzigen Leuten, die dort wirklich arbeiten, — ich rechne die Handelsgesellschaften, die hier in Berlin und anderswo ihr Geld haben und dort andere für sich arbeiten lassen, nicht dazu — nicht nur an andere Zeitungen, sondern auch an uns und persönlich an mich eine ganze Reihe sich gewandt hat. Ich bin gern bereit, den Herren, die sich dafür interessieren, einige Briefe zur Verfügung zu stellen, in denen erklärt wird, daß sie zwar nicht Sozialdemokraten sind, aber doch einsehen, daß schließlich allein die Sozialdemokratie auch den Bauern im Auslande helfen kann.

Meine Herren, ich werde mir gestatten, die Photographie dieses Deutschen, der einen Schutz in der Weise genossen hat, daß Polizeiknüppel auf ihn niedergesaust sind, und der dann auch noch 100 Mark Geldstrafe dafür hat zahlen müssen, auf den Tisch des Hauses niederzulegen.

(Bravo! bei den Sozialdemokraten.)

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