"Die Verhaftung des deutschen Pflanzers Matzat durch einen samoanischen Polizisten hatte sogar zur Folge, dass die Kolonialverwaltung Erkundigungen in allen deutschen Kolonien über die Befugnisse "farbiger" Polizisten gegenüber Weißen einholte" ( Zitat einer Fußnote aus "Askari und Fitafita: "farbige" Söldner in den deutschen Kolonien" von Thomas Morlang)
Ich zitiere den "Fall Matzat", den der Abgeordnete der Sozialdemokraten Stadthagen dem Reichstag in der 74. Sitzung. Sonnabend den 23. April 1904 vortrug.
(https://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt_k11_bsb00002809_00593.html und folgende):
Der,
wie es scheint, am schwersten mitgenommene Pflanzer ist ein deutscher
Bauer, ein Ostpreuße, der vor seiner Ankunft in Samoa gewarnt wurde,
dorthin zu gehen, weil dort nicht Freiheit herrsche, sondern
lediglich Bureaukratie und Kapitalismus in Flor seien. Er hat es
dennoch getan, ist nach Samoa gegangen und hat dort in stiller,
beschwerlicher Arbeit als Pionier für die Kultur gewirkt. Er hat
einen Acker 150 im wilden Urwald auf einer Höhe von etwa 2000 Fuß
mit Mühe und Erfolg bearbeitet. Er ist kein Kapitalist. Ein kleines
Erbteil von einigen Tausend Mark hat ihm den Weg, Eigentümer zu
werden, ermöglicht. Mit rastlosem Fleiß hat er aus dem angekauften
wilden Land eine Plantage herzustellen vermocht, die Kakao, Kaffee,
Taro, Bananen, Cava, Gras usw. trägt. Durch seine Sachkenntnis,
große Umsicht und fleißige Arbeit hat er — zeitweise unter
Zuhilfenahme weniger Arbeiter — aus eigener Kraft ein neues Gebiet
der Kultur erschlossen und anderen Kolonisten die Wege geebnet. Er
ist ein ruhiger, stiller Mann. Selbst in den Urteilen, die gegen ihn
ergangen und gegen ihn eingenommen sind, wird ihm das Zeugnis eines
ruhigen, verständigen Mannes gegeben.
Nun,
meine Herren, hören Sie, wie es dort den Deutschen geht, die unter
dem Schutze des Deutschen Reichs stehen sollen, und wozu die Gelder
verwendet werden, die hier in erhöhtem Maße in Tit. 1 wie in Tit. 5
abermals insbesondere für Erhöhung der Beamten und Polizeigehälter
dort verlangt werden! Der oben geschilderte Pflanzer namens Matzat
war am 22. November 1902 in Apia, um sich dort persönlich
nach dem Schicksal einer Eingabe zu erkundigen, die die Verbesserung
eines Weges verlangte, der seit 1 1/2 Jahren fast unpassierbar
geworden war. Er traf in Apia einen Landsmann, namens Hage,
einen älteren Herrn, der noch nicht zu lange in Samoa ist. Als beide
zwischen 11 und 12 Uhr Abends nach Hause gehen wollten, und Hage eine
Verrichtung, zu der er an sich durchaus berechtigt war, ausübte,
trat ein Samoaner an ihn heran, ein gewisser Napoli, der farbiger
Polizist ist, und sprach ihn an. Der Samoaner versteht kein Deutsch
und der Kolonist kein Samoanisch. Die Pflanzer zogen ihres Weges. Der
Polizist verfolgte sie und redete weiter auf sie ein. Diese sagten
ihm, er möge sie in Ruhe lassen. Napoli ging aber weiter hinter den
Leuten her und querulierte sie weiter, die durchaus nichts getan
hatten. Daraufhin hat dann Matzat diesen Samoaner, der ihn
belästigte, einen Stoß gegeben, um ihn los zu werden, was so
ziemlich jeder im ähnlichen Fall tun würde. Wie soll man auch sonst
jemanden los werden, der in dieser Art einen behelligt? Matzat wurde
wegen dieses Stoßes nunmehr wegen Mißhandlung eines Polizisten
angeklagt. In dem Urteil wird festgestellt, daß dieser Polizist,
Napoli, allerdings als solcher in der Dunkelheit nicht erkannt war,
er habe zwar den Stern getragen — ich glaube, es ist ein gelber
Stern —, der ihn als Polizist kenntlich macht; aber man könne wohl
annehmen, daß Matzat dies Abzeichen samoanischer Polizisten nicht
gesehen hat, also nicht glaubte, einen Polizisten vor sich zu haben.
Dieser Polizist Napoli wird so charakterisiert: „der Napoli
spricht ein wenig Englisch, er kennt vom Deutschen aus seiner
früheren Dienstzeit bei den Fita-Fitas nur einige Kommandos, ferner
kennt er — ob auch aus der Dienstzeit, sagt das Urteil nicht —
einige deutsche Schimpfwörter wie „Schwein", „Niggerkanaker"
und Wörter von ähnlicher Bedeutung". Mit dieser Kenntnis der
deutschen Sprache ausgerüstet, hat der Polizist beim Vorbeigehen
bei Hage und Matzat angenommen, daß diese Leute, da er weiter vom
Deutschen nichts versteht als Schimpfwörter, ihn schimpften.
Deshalb verfolgte er die beiden Kolonisten, bis Matzat auf die
geschilderte Art der Belästigung ein Ende machte. Matzat ist dann
angeklagt worden, durch den Stoß den Napoli körperlich mißhandelt
zu haben. Es wurde hierbei angenommen, daß er nicht gewußt habe,
daß der Geschlagene ein Beamter ist. Er wurde zu 20 Mark Geldstrafe
in der ersten und zweiten Instanz verurteilt. Aus der Verhandlung
ergibt sich, daß der Polizist nicht den geringsten Grund hatte, die
Leute zu arretieren oder zu belästigen. Man ist billig erstaunt,
weshalb, wenn prozessiert werden sollte, gegen Matzat und nicht
gegen den Polizisten prozessiert ist. Es kommen Pflanzer nach Apia,
und die Folge ist, daß sie von einem schwarzen Menschen, der mit
deutschem Gelde als Polizeibeamter bezahlt wird, über dessen
Qualifikation ich soeben aus dem Urteil Ihnen vorgelesen habe,
haranguiert werden, und deshalb und weil dieser Mann so wenig
intelligent ist, müssen sie es sich gefallen lassen, nachher zu 20
Mark Geldstrafe verurteilt zu werden, weil sie einem fremden
Menschen, der sie verfolgt, behelligt und belästigt, abwehren?
Verurteilt und angeklagt ist in diesem Falle Matzat, soviel mir
bekannt, nicht auch der andere deutsche Pflanzer. Was soll.diese Art
Inschutznahme? Es ist doch, meine ich, weit über das
hinausgegangen, was man den Eingeborenen gegenüber darf und muß
angedeihen lassen. Mit den tatsächlich arbeitenden Personen kommen
die Pflanzer nicht in irgendwie böse Berührung. In böse Berührung
kommen sie nur mit den Polizeibeamten und Polizeisoldaten, mit
denen, die da glauben, ihre Bildung dadurch bekunden zu müssen, daß
sie ihre Polizeimacht gebrauchen und vielleicht auch mißbrauchen.
Meine Herren, dieser selbe Matzat kam einen halben Monat später, am
12. Dezember, wieder einmal nach Apia. Da ist es ihm noch schlimmer
ergangen. Es geht da, wie es scheint, in den Verhältnissen, über
die wir hier zu klagen haben, genau so zu wie in Deutschland. Nach
der Richtung scheint es Herrn vr. Solf gelungen zu sein, die
Kultur, die wir hier als polizeiliche, als Unkultur zu bedauern
haben, außerordentlich in Samoa verbreitet zu haben. Es ist — Sie
werden es nachher sehen — die Behandlung, wie sie der Bauer auf
der Polizei erfährt, genau dieselbe dort, wie wenn bei uns ein
kleiner Bauer das Unglück hat, mit einem Gendarm oder mit mehreren
Gendarmen oder sonst mit der Polizei nicht auf freundlichem Fuße zu
stehen, und man ihn dem Polizeigefängnis überantworten läßt. Am
12. Dezember war mit diesem Bauer Matzat der Deutsche Hage wieder in
Apia zusammen. Nachmittags wollte Matzat fortreiten. Matzat rief
sein Pferd an, wie man zu tun pflegt, wenn man an ein Pferd von
hinten herantritt. Er brauchte ein paar englische Brocken dabei. Da
kam ein Polizeibeamter, Fialii mit Namen, ein Mann, dem schon
vorher, wie es im Urteil heißt, „wegen Mangel an der nötigen
Intelligenz" der Dienst gekündigt war. Es ist diesem Fialii,
dem Polizeimann, in dem Urteil bestätigt, daß ihm schon zum 1.
Januar gekündigt war, weil er es an der nötigen Intelligenz fehlen
ließ. Ich würde wünschen, daß Mangel an Intelligenz auch in
Deutschland als Entlassungsgrund für Polizisten eingeführt würde.
Als Matzat sein Pferd anrief, meinte dieser unintelligente schwarze
Polizeibeamte, der Ruf, der sich auf das Pferd bezog, beziehe sich
auf ihn. Fialii fing einen Wortstreit deshalb an. Matzat erklärt
ihm, er möge ihn in Ruhe lassen, er sei gar nicht gemeint. Der
aber wollte durchaus gemeint sein. Es kam dann der alte graubärtige
Hage und versuchte dem Polizeibeamten klarzumachen, er solle seines
Weges gehen. Da stieß dieser Fialii dem Hage ganz gehörig in die
Rippen. Als nun naturgemäß Matzat die Partei des beleidigten,
mißhandelten Deutschen nahm, schlug der schwarze Polizeibeamte
Fialii mit seinem Knüppel auf Matzat los. Wie in der Verhandlung
bekundet wurde, hat der Polizeioberst Fries ausdrücklich seinen
Polizeibeamten gesagt, sie sollten den Knüppel gebrauchen, wozu sie
ihn bekommen hätten. Der Knüppel ist IV- Zoll im Durchmesser dick
und 1 1/2 Fuß lang, aus hartem, schweren Holze. Matzat ließ sich
das nun nicht gefallen und entriß dem Fialii den Knüppel in der
Notwehr und wendete ihn dem Polizeibeamten gegenüber an. Fialii
erhielt dann den Knüppel von Matzat zurück, schlug auf Matzat los
und „rannte dann weg", wie es im Urteil heißt. Daraufhin
werden beide angeklagt: Matzat, der sich erlaubt hat, jemandem, der
auf ihn eindringt, den Knüppel zu entreißen und die
Unvorsichtigkeit begangen hatte, diesem Polizeimann den Knüppel
wiederzugeben, wird in der ersten Instanz zu 3 Monaten Gefängnis
verurteilt; in der zweiten Instanz wurde er freilich freigesprochen,
weil das Gericht Notwehr annahm. Nun geht die Sache aber noch böse
weiter. Als der Fialii nämlich aus dem von ihm provozierten Kampf
die Überlegenheit der körperlichen Kraft und der geistigen
Intelligenz auf deutscher Seite erkannt hatte, eilte er zu M) dem
Polizeibureau, beschwerte sich dort, und der Polizeichefmeinte, man
sollte die beiden verhaften! Matzat und Hage sind nun beide in Samoa
bekannt, es fehlte jeder Grund zu einer Verhaftung, wie ausdrücklich
in dem Urteil festgestellt wird; aber, meint der Richter, wenn auch
eine gerichtliche Verhaftung nicht stattfinden konnte, so sei doch
der Polizeibeamte gewissermaßen Vertreter des Gouverneurs und der
Gouverneur der Stellvertreter des Kaisers, und deshalb sei es
gerechtfertigt, Leute, gegen die nach dem Gesetz nicht der geringste
Grund zur Verhaftung vorliegt, zunächst in das Gefängnis zu
bringen. Den betreffenden erstaunlichen Passus werde ich mir noch
gestatten wörtlich zu verlesen. Dieser Fialii kam also nach dem
Polizeibureau, trug dem Polizeiobersten die Sache vor, und vier
Polizeibeamte machten sich auf den Weg, um den rechtswidrigen
Einlieferungsbefehl auszuführen. In der Zwischenzeit waren Hage und
Matzat auch nach der Polizei gegangen, um dort Beschwerde zu führen
über das Benehmen des Fialii bei dem Polizetchef Fries. Auf dem
Wege trafen sie bereits Herrn Fries. Sie wollten ihm die Sache
vortragen; er ließ sich aber von ihnen nicht sprechen, sondern
ließ sie durch die vier farbigen Beamten nach dem Gefängnis
führen. „Auf dem Wege bis zum Tor des Gefängnisses", heißt
es im Urteil, „ist kein Widerstand geleistet", und das, zumal
der Transport insofern brutal war, als die Polizeileute die Bauern
körperlich, am Arm und Rockkragen, angefaßt hatten. Der
Polizeichef sah diesen Transport und hinderte sie nicht. Er folgte
vielmehr dem Transport und „wies die nachfolgenden Leute am
Gefängnistor zurück". Naturgemäß wünschten die also zu
Unrecht ihrer Freiheit beraubten Deutschen den Polizeichef Fries zu
sprechen und sich bei ihm zu beschweren. Es scheint, als ob die
Beamten für die Beschwerden solcher, die von Polizeibeamten
mißhandelt sind, dort nicht zu haben sind — genau wie hier in
Berlin, wo der Polizeipräsident bekundet hat: wenn sich jemand auf
dem Polizeirevier, wo er mißhandelt ist, gar noch beschwert, muß
er verrückt sein, und man dürfe ihn nach Dalldorf oder Herzfelde
schaffen.
(Lachen
rechts.)
Da
sagt Herr Stuebel, Dr. Solf
sei nicht bureaukratisch. Wenn etwas bureaukratisch und überdies
strafbar ist, ist es, zwei bekannte Deutsche, auch wenn sie etwas
Strafbares getan hätten, mir nichts dir nichts arretieren zu lassen,
weil der betreffende die Gewalt hat. Es ist ausdrücklich
festgestellt, daß die Handlung von Matzat und Hage gegenüber diesem
Burschen mindestens bis zu diesem Transport ins Gefängnis straflos
gewesen ist; sie hatten sich in Notwehr befunden. Nun kommt das
Beste. In den Gefängnisräumen, behaupten die schwarzen
Polizeibeamten, habe der Matzat Widerstand geleistet. Von Hage ist es
nicht behauptet, wohl aber ist festgestellt, daß auf beide
losgeschlagen ist. Hage ist von dem Beamten Falasii, Matzat von
Fialii nachweisbar geschlagen worden. Auch Hage wurde angeklagt;
natürlich mußte er freigesprochen werden; die beiden Polizeibeamten
sind zu geringen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Hage ist
geschlagen worden, ohne die geringste strafbare Handlung begangen
oder auch nur nach Annahme des Richters Widerstand geleistet zu
haben. Matzat wurde noch viel böser mit dem Polizeiknüppel
geschlagen. Von ihm ist im Urteil angenommen, er habe Widerstand
geleistet durch die Gewalt seines Körpers — „durch körperliche
Gewalt", sagt das Urteil —. Festgestellt ist durch Zeugen, daß
er den Polizeiobersten Fries zu sprechen verlangte. Er wurde statt
dessen verhauen, in Eisen geschlossen und außerordentlich schwer
mißhandelt, wie das Attest des Arztes ergibt. Das Schließen geschah
sogar auf Befehl des Fries. Wir haben ja gehört, daß dort Mangel an
Ärzten ist; aber die beiden Arzte dort, die Beamte sind, werden wohl
in ihrem Attest die Wahrheit ausgesagt haben. Mir ist außerdem die
Photographie des Mißhandelten übersendet worden, die ich auf den
Tisch des Hauses niederlegen werde, damit Sie sehen, wie ein
Deutscher aussieht, wenn er — nicht nur in Berlin, im preußischen
Lande, sondern in Samoa das Polizeigefängnis verläßt. So sieht ein
Mann aus, der nach der Schilderung des Urteils ein starker Mann ist,
dem das Kolonialamt Schutz angedeihen lassen sollte, und der von
Polizisten, für deren Anstellung Sie das Geld hergeben, so übel
zugerichtet wird. Dr. Schwesinger,
Stabsarzt a. D-, schreibt:
Herr
Pflanzer Matzat ersucht um Feststellung der an seinem Körper
vorhandenen Verletzungen, die gestern, den 12. Dezember, Nachmittags
nach 3 Uhr, ihm durch samoanische Polizisten mit ihren Knüppeln
beigebracht worden sind. Auf der linken Seite des behaarten
Hinterkopfes, etwa handbreit von dem linken Ohr entfernt, besteht
eine etwa zehnpfennigstückgroße rosa blutunterlaufene Stelle, die
bei leichtem Drucke bereits schmerzt. Dreifingerbreit oberhalb der
rechten Schläfe ist eine mit dunkeln, blutigen Krusten geschlossene
kleinere Wunde inmitten einer schmerzhaften Beule. Die Gegend hinter
dem linken Ohre und am Halse ist teigig angeschwollen und sehr
schmerzhaft, das Ohr selbst und die Hintere Umgebung desselben ist
blaurot unterlaufen, unterhalb des Ohres ist ferner eine kleine
Kratzwunde erkennbar. Im linken äußeren Augenwinkel besteht ein
größerer, frischer Blutaustritt unter der Bindehaut, die beiden
Augenlider daselbst sowie das untere rechte Augenlid sind stark
angeschwollen, blaurot unterlaufen und am letzteren auch zwei
strichförmige kleine Wunden, scheinbar durch Aufspringen entstanden.
Die Unterlippe ist in der linken Hälfte stark geschwollen — durch
einen Knüppelschlag — und etwa 2Vr Zentimeter vom Mundwinkel
entfernt durchtrennt, sodaß die dabei entstandene Wunde 2—3
Millimeter breit klafft, sie ist mit einem weißlichen Belag bedeckt
und ihre Umgebung ebenfalls blutunterlaufen; diese letztere Wunde hat
jedenfalls längere Zeit stark geblutet. Es geht aus der Art der
Verletzungen deutlich hervor, daß dieselben mit stumpfen, nicht
kantigen und nicht besonders schweren Gegenständen und nicht mit der
Hand oder Faust gesetzt find, sodaß die Angaben des Verletzten
betreffend der Knüppel von Polizisten auf Wahrheit beruhen können.
Auch die von ihm gemachte Zeitangabe entspricht dem Aussehen der
Verletzungen. Eine dauernde Schädigung ist durch die Verletzungen
nicht veranlaßt worden; die Wunde an der Lippe unten kann allerdings
zu einer narbigen Einziehung daselbst führen, eine Entstellung wird
aber nicht dadurch verursacht werden. Die Spannung und
Schmerzhaftigkeit der Verletzungen bedingen eine mehrtägige
Arbeitsunfähigkeit.
Matzat
hat sich gleich darauf -- am folgenden Tage ist er entlassen —
photographieren lassen. Sie sehen das ganze Zeug von Blutflecken
überlaufen, sie sehen die Wunden, die ihm zugefügt sind. Er sieht
so aus, als ob er von Kannibalen zugerichtet ist, aber nicht mit
Polizeibeamten, die mit dem Gelde deutscher Steuerzahler zum Schutze
deutscher Steuerzahler besoldet werden, zu tun gehabt hätte. M) Nun
wurde der Mann unter Anklage gestellt, weil er Widerstand gegen die
Staatsgewalt geleistet habe, daß er sich im Gerichtsgefängnis nicht
gefallen ließ, in eine Zelle gesperrt zu werden, sondern passiven
Widerstand geleistet haben sollte. Es wurde angenommen, das sei
Widerstand gegen die Staatsgewalt. Er wurde in erster Instanz zu
einer Freiheitsstrafe verurteilt, ich glaube von 14 Tagen oder 4
Wochen. In zweiter Instanz wurde er zwar auch verurteilt; aber die
Freiheitsstrafe wurde umgeändert, und es sind ihm durchaus zu
Unrecht 100 Mark zudiktiert worden. Nun, meine Herren, mag das
Verhalten der einzelnen Deutschen dort sein, wie es will, —
provozierend war das Benehmen dieser beiden Bauern, von denen ich
gesprochen habe, nach keiner Richtung. Der eine war, was ihm die
dortigen Gerichte selbst haben attestieren müssen, absolut
schuldlos, der andere auch schuldlos, oder, wenn er etwas getan hat,
hat er nichts weiter getan als sich gegen die Anmaßung gewehrt, daß
die deutsche Freiheit, die Freiheit des Menschen nicht garantiert
sei, sobald es sich um polizeiliche Angriffe handelt. Unter allen
Umständen zeigt das Verhalten der Polizei dort, daß es höchst
ungerechtfertigt wäre, jetzt noch die Sicherheitskräfte zu
vermehren.
Meine
Herren, es lag nicht der geringste Grund vor, den Mann ins Gefängnis
zu schleppen. Auf dem Wege zum Gefängnis und bis Einlieferung dort
hat er nach dem Urteil durchaus nichts Strafbares begangen, sondern
er hat nur die rechtswidrigen Angriffe abgewehrt, deren sich
minderintelligente Polizeibeamte ihm gegenüber in brutaler Weise
schuldig gemacht haben. Weswegen die Hineinschubserei ins Gefängnis
gerechtfertigt gewesen sei, das sagt das erste Urteil in folgender
Weise:
Demnach
befanden sich Fries — also der Anordner der Verhaftung —
in
der rechtmäßigen Ausführung ihres Amtes, wobei bez. Hage, der sich
keiner nachweisbaren strafbaren Teilnahme an dem Wortwechsel zwischen
Matzat und Ftalii schuldig gemacht hat, mit zum Beginn der
Tätlichkeiten beigetragen hat. Die Befugnis des Polizeivorstehers
Fries zur vorläufigen Festnahme folgt aus seinem Amte, das ihm vom
Gouverneur, dem obersten Verwaltungsbeamten des Schutzgebiets,
übertragen worden ist, und ist ein Teil der Schutzgebietsgewalt, die
in höchster Instanz dem Kaiser zusteht und von diesem mit gewissen
Beschränkungen auf den Reichskanzler und Gouverneur delegiert worden
ist.
— Ja,
nach welchen Bestimmungen, nach welchen Gesetzen eigentlich? Das
Urteil fährt fort:
Eine
Verhaftung, die nur durch den Richter ausgesprochen werden kann, ist
nicht erfolgt.
Meine
Herren, schon der feine Unterschied: keine Verhaftung, sondern
Festnahme — eine Festnahme, die nach deutschem Gesetz rechtswidrig
ist, da die Leute durchaus bekannt waren und, wie durch Urteil
festgestellt ist, nicht das geringste Strafbare auf der Straße getan
hatten! Es wird eine nicht begangene strafbare Handlung konstruiert,
und es erfolgt die rechtswidrige, nach der ungeheuerlichen Annahme
des Richters rechtmäßige Festnahme. Man wehrt sich gegen diese
Rechtswidrigkeit, weil man annimmt, daß das deutsche Recht auch dort
gelte — es ist ja dort auch eingeführt —; dafür wird man
bestraft. Der ganze Widerstand hat darin bestanden, daß einer sich
vieren gegenüber hat wehren müssen. Gewiß soll man Eingeborenen
gegenüber nicht provozierend sein, und gewiß würde es angebracht
sein, auch Deutschen gegenüber, die sich dort so oder nur ähnlich
provozierend benehmen wie der Prinz v. Arenberg in Südwestafrika,
mit den allerschärfsten Strafen vorzugehen. Solchen Leuten
gegenüber, die roh sind, die nicht zu arbeiten verstehen, sondern
die Arbeitskraft anderer ausbeuten wollen und sie außerdem noch
brutal verhöhnen, wäre scharfes Vorgehen am Platz. Um solche Leute
handelt es sich hier nicht, sondern es handelt sich, wie auch im
Urteil festgestellt wird, um Leute, die bis zu diesem Renkontre als
ruhige, arbeitsame Menschen allgemein galten. Die Pflanzer haben
Briefe an mich geschrieben, worin sie mitteilen, daß sie sich mit
den Eingeborenen durchaus gut stehen, aber eingeborene ,
Polizeibeamte, das sei etwas ganz anderes. Es ist genau so bei uns:
der Kleinbauer steht mit den übrigen Leuten auf dem Lande durchweg
in gutem Verhältnis; anders ist das Verhältnis der Kleinbauern —
ich spreche nicht von Großgrundbesitzern —
(Heiterkeit)
gegenüber
den Inhabern der Polizeigewalt. Und wenn wir hier in Deutschland, in
Preußen zu klagen haben über die Überfälle durch solche
Polizeigewalt
(Unruhe
rechts)
ich
danke Ihnen für die Zustimmung, die Sie mir durch die Bewegung Ihrer
Lippen eben ausdrücken —
(Heiterkeit),
wenn
wir hier darüber zu klagen haben, daß wir gegen die Polizei nicht
besonders geschützt sind, sondern daß ein Schutzverein gegen
Schutzleute durchaus angebracht wäre, so sind erst recht solche
Schutzvereine im Schutzgebiet gegenüber solchen bureaukratischen
Ausschreitungen nichtfarbiger und farbiger Polizeibeamten durchaus
gerechtfertigt. Genau dasselbe, was auch hier Deutschen gegenüber
geschieht, ist ja zum großen Teil in den Kolonialgebieten die
Ursache von Aufständen, Unruhen u. dgl. Man kann sich eben nicht
gefallen lassen, von Beamten schlimmer behandelt zu werden als ein
Stück Vieh. Wenn Vieh gegenüber so vorgegangen wäre wie hier
diesen beiden Deutschen gegenüber seitens der Inhaber der
Polizeigewalt, dann würde man sich entrüstet haben über die
Roheit, die dort seitens einiger farbiger Polizeibeamter und des
dortigen Polizeigewaltigen, „Polizeipräsidenten" — das mag
er sein; ich weiß nicht, wie der Titel dort ist — angewendet ist.
Wenn es sich aber, wie im vorliegenden Falle, gar noch um Menschen,
um Deutsche, handelt und als Resultat dabei herauskommen sollte, daß
die Deutschen, anstatt geschützt zu werden, — wenigstens der eine
— noch bestraft werden, so, meine ich, sollten Sie sich drei- und
vierfach überlegen, bevor Sie wieder vermehrtes Geld für diese
Titel bewilligen. Meine Herren, die Arbeit, die deutsche Arbeit, die
Arbeit im allgemeinen soll geschützt werden, soweit sie in den
Kolonien tätig ist. Die Tätigkeit aber, die in Samoa ausgeübt
wird, auch wenn es sich um Gesellschaften handelt, denen der einzelne
Abgeordnete freundlich gegenübersteht — das möchte ich Herrn
Eickhoff gegenüber bemerken —, ist auch dann nicht im Interesse
Deutschlands, wenn die Unterstützung sich bezieht auf die
Unterstützung des Kapitals und der bureaukratischen Gewalt. Ich
meine, wir haben keine Veranlassung, derartiges rechtswidriges
Benehmen Deutschen gegenüber durch deutsches Geld zu unterstützen.
Interessant
ist mir gewesen, daß von den 39 Pflanzern, den einzigen Leuten, die
dort wirklich arbeiten, — ich rechne die Handelsgesellschaften, die
hier in Berlin und anderswo ihr Geld haben und dort andere für sich
arbeiten lassen, nicht dazu — nicht nur an andere Zeitungen,
sondern auch an uns und persönlich an mich eine ganze Reihe sich
gewandt hat. Ich bin gern bereit, den Herren, die sich dafür
interessieren, einige Briefe zur Verfügung zu stellen, in denen
erklärt wird, daß sie zwar nicht Sozialdemokraten sind, aber doch
einsehen, daß schließlich allein die Sozialdemokratie
auch den Bauern im Auslande helfen kann.
Meine
Herren, ich werde mir gestatten, die Photographie dieses Deutschen,
der einen Schutz in der Weise genossen hat, daß Polizeiknüppel auf
ihn niedergesaust sind, und der dann auch noch 100 Mark Geldstrafe
dafür hat zahlen müssen, auf den Tisch des Hauses niederzulegen.
(Bravo!
bei den Sozialdemokraten.)
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